Versuche zur Überwindung der Schwerkraft

Café Keese, 2010

 

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Trailer

 

TELEMONDIAL ist dokumentarisches Theater und große Oper zugleich: Ein Musiktheater-Abend im Café Keese in der Bismarckstraße, der diejenigen ins Rampenlicht holt, die sonst im Halbdunkel des Zuschauerraums sitzen – die Opernliebhaber. Welche Wünsche kann die große Oper erfüllen und welche nicht? Wie lassen sich überbordende Emotionen domestizieren und zuhause wieder erleben? Und wie kann man dem Tenor, dem Objekt der Begierde, näher kommen und näher und noch näher?
Ausgangspunkt von TELEMONDIAL ist Traudlinde Drobbe, als Autogrammjägerin in den 80er Jahren Stammgast an der Bühnenpforte der Deutschen Oper Berlin, und ihr umfangreiches Fotoarchiv. Im legendären Tanzlokal Café Keese verbinden sich ihre Sammlung, Interviews und Berichte zu ihrem Leben und die spektakulärsten Operntode zu einem Versuch über stille Sehnsucht, ganz große Gefühle und Techniken der Aufbewahrung.

 

Die Sammlung der Traudlinde Drobbe

Vor einiger Zeit tauchten im Archiv der Deutschen Oper verschiedene Aktenordner auf, zusammengefasst in einem Karton. Niemand konnte erklären, wie diese Aktenordner dorthin gekommen waren oder wer sie ins Archiv gelegt hatte. Auf einmal waren sie da.
Traudlinde Drobbe, ein begeisterter Fan des Opernhauses an der Bismarckstraße, hatte in den 1980er-Jahren alle ihre Opernbesuche und Fotos mit den legendären Stars minutiös dokumentiert und in einer Sammlung zusammen geführt, die neben einer Sehnsucht nach großer Oper auch von einer großen Leidenschaft für Ordnung erzählt.

 

TELEMONDIAL is documentary theater and grand opera at the same time: a music theater evening at Café Keese on Bismarckstrasse, bringing to the limelight those who otherwise sit in the twilight of the auditorium – the opera lovers. What wishes can the grand opera fulfill and which not? How can domineering overflowing emotions be experienced at home? And how can one come closer to the tenor, the object of desire?

The starting point for TELEMONDIAL is Traudlinde Drobbe, an autograph hunter in the 80s, regular guest at the stage gate of the Deutsche Oper Berlin and her extensive photo archive. In the legendary dance hall Café Keese, her collection, interviews and reports about her life and the most spectacular operatic deaths combine to a quest for quiet longing, great feelings and techniques of preservation.

 

Mit Bonnie Cameron, Franziska Dick und Jördis Richter

Regie: Franziska Seeberg und Johannes Müller

Musik: Armin Pommeranz

Bühne und Kostüme: Lee Soo-eun

Dramaturgie: Julia Schreiner

Maske: Elena Irsigler

Technische Leitung: Ralf Arndt

Fotos: Benjamin Krieg

 

Eine Produktion von OPER DYNAMO WEST und ehrliche arbeit – Freies Kulturbüro.
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin. Unterstützt durch die Deutsche Oper Berlin, die Staatoper Unter Den Linden Berlin und das Café Keese.

 

 

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Die Inszenierung untersucht die Beziehung zwischen Opernstars und deren Fans »anhand einer wahren Begebenheit«, wie es bei Filmen heißt, denn die Frau, um die es hier geht, gab es tatsächlich: Die fanatische Opernliebhaberin Trautlinde Drobbe war im Westberlin der 80er regelmäßige Besucherin der Deutschen Oper und Stammgast an der Bühnenpforte, wo sie ihren Lieblingssängern auflauerte und um Autogramme und Fotos bat…
Um diese Sammlung der längst Verstorbenen, um unerfüllte Sehnsüchte und Ersatzbefriedigungen kreist die Inszenierung (Regie: Franziska Seeberg und Johannes Müller) in einem ironisch-ernsthaften Diavortrag über Drobbes Archivierungsmethoden, rezitierten Aussagen von Kollegen und Freundinnen sowie erdachten Spielszenen, in denen der Wunsch der Opernfans nach totaler Nähe zu ihrem Idol auf die Spitze getrieben wird… und doch sind es gerade diese zugleich komischen und traurigen Szenen, die berühren und Verständnis wecken für Menschen, denen die Oper und deren Stars Ersatz werden für ein eigenes Leben.
Neues Deutschland, 25. Oktober 2010, von Anouk Meyer

Es gilt der pathosfreie Grundsatz: alles kann zu Oper werden und alles kann die Sehnsucht nach ihr hervorrufen. So entstand das neueste Projekt, untergebracht in einem Westberliner Tanzlokal mit Damenwahl…Kann man Erlebnisse und Emotionen archivieren? Die opernarchäologische Untersuchung, die da im Café Keese mit Dias, Arien, Hammondorgel zelebriert wurde, handelt von einer stillen Sehnsucht und den großen Gefühlen, zumal von den Grenzen der Aufbewahrung unserer Erinnerungen. Nein, es müssen nicht immer Orpheus, Don Giovanni und Parsifal sein… die blühende Opernlandschaft Berlins reicht weit, und sie kann sich auch im Minimalistischen verästeln.
Süddeutsche Zeitung, 2. November 2010, von Wolfgang Schreiber

 

Die Plexiglastelefone auf den runden samtbedeckten Tischen läuten nicht. Die Tresen um die Saalecken liegen im Dunkeln, die Discokugel über den knatschigen Tanzdielen schimmert gelblich und erinnert an den Mond, das dramatische Attribut fast jeder klassischen Opernaufführung… Im Café Keese wird nicht getanzt und nicht geflirtet, es wird gestorben nach allen Regeln der Theaterkunst … Café Keese, das legendäre West-Berliner Tanzlokal in der Bismarckstraße als Aufführungsstätte, das war ein dringender Wunsch der Theatermacher. Es gehört zum Credo der Theaterkompanie Oper Dynamo West, markante Orte für ihre Produktionen zu suchen….
RBB Kulturradio, 12. Oktober 2010, von Vera Block