Ein Theaterprojekt basierend auf Zeitzeugenberichten

Ballhaus Ost/Volkspark Prenzlauerberg, 2014

 

rosemarie © Christof Zwiener

 

Trailer

 

Elf Menschen und ihre Erzählungen über den Zweiten Weltkrieg sind Ausgangspunkt für dieses Theaterprojekt. Die einzelnen Geschichten der Menschen gewähren einen individuellen und zugleich facettenreichen Einblick in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Sie vermitteln ein Bild der damals vorherrschenden Moralvorstellungen und spiegeln ein Denken wider, das aus heutiger Sicht zwar häufig schwer nachvollziehbar erscheint aber dennoch weit in unser Leben hineinreicht.

Aufführungsort des Theaterstücks ist der Trümmerberg Volkspark Prenzlauer Berg. Hier lud man nach der Zerstörung Berlins 1945 die Reste des Alexanderplatzes ab. Dieser historisch aufgeladene Ort wird zum Schauplatz der Intervention – und so macht sich jeder Zuschauer einzeln in Begleitung eines Schauspielers auf den Weg und hört eine Geschichte.

 

Eleven people and their stories about the Second World War are the starting point for this theater project. The stories of the people provide an individual and at the same time multifaceted insight into the time of the Second World War. They convey a picture of the prevailing morals at that time and reflect a kind of thinking that, from today’s point of view, often seems difficult to comprehend, yet reaches far into our lives.

The performance of the play is the rubble mountain Volkspark Prenzlauer Berg. Here, after the destruction of Berlin, the remains of Alexanderplatz were unloaded in 1945. This historically charged place becomes the scene of the intervention – and so each spectator takes to the road individually, accompanied by an actor, and hears a story.

 

Mit Christoph Glaubacker, Julian Hackenberg, Anne Haug, Kai Meyer, Cathrin Romeis, Lisa Scheibner, Melanie Schmidli, Florian Simon, Urs Stämpfli, Fabian Stumm, Mariel Jana Supka und Marco Wittorf

Künstlerische Leitung: Sonya Schönberger

Dramaturgie: Franziska Seeberg

Produktion: Johanna Malchow

Assistenz: Anna Berndt

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Heike Diehm, k3 berlin

 

In Kooperation mit dem Ballhaus Ost. Gefördert durch Mittel des Regierenden Bürgermeisters von Berlin – Sentaskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten.

 

(…) Zahlreiche Zweierpärchen stapfen durch den Park. Sie werden beobachtet von Obdachlosen, die im Park einen Rückzugsraum gefunden haben. Sie kreuzen die Wege von Joggern, die über die grasüberwachsenen Trümmerscherben federn.

Die Geschichten, die die Zuschauer hören, verbinden sich auf subtile Art mit dem unmittelbaren Umfeld. Wenn von der Flucht des jüdischen Teenagers Richard aus dem von den Deutschen besetzten Polen nach Ungarn berichtet wird und man sich auf kleinen Pfaden durch das Dickicht schlägt, fühlt man sich für einen Moment sinnlich und körperlich in die Fluchtsituation versetzt. Steigt man im Park Treppen und erfährt dabei vom Erschlagen zweier jüdischer Frauen, die von einem SS-Kommando ein Treppenhaus hinunter gejagt wurden, dann steht vor dem inneren Auge auf jeder Treppenstufe hier im Park ein schwarz Uniformierter, und man meint, die Schläge auf dem eigenen Rücken zu verspüren. Steht man auf dem Gipfel des Trümmerbergs, dann verschmilzt der sichtbare Horizont mit den Fluchtzielen Syrien und Palästina oder den Pyrenäen, die vor der Abfahrt nach Amerika lagen.

(…) Am Ende, zurückgekehrt zum Ausgangsort, kann man sich dann mit anderen Zuschauern über die Biografien, in die sie getaucht sind, austauschen. Ein wenig Enttäuschung bleibt freilich auch zurück, weil man eben nie alles erfahren kann, was parallel erzählt wurde. Gleichzeitig wird aber wieder deutlich, wie klein die Tropfen unseres Wissens aus dem Meer der Erfahrungen der Menschen, die vorher über diesen Erdball tappten, doch ist. Ein Spaziergang, der Empathie und Demut produziert; das sind durchaus keine schlechten Effekte.

(Neues Deutschland, 9.9.14)