Eine phonographische Anstrengung

Hebbel am Ufer, 2009

 

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In den Kellern des Ethnologischen Museums Berlin schlummern tausende Tondokumente, die mit Hilfe des Phonographen im 19. Jahrhundert auf beschwerlichen Reisen gesammelt wurden. AMAZONAS begibt sich auf Expedition ins Wachswalzenarchiv, folgt den Spuren der Forscher und sammelt dabei Reiseberichte, technische Daten und zerkratze Melodien und Rhythmen aus aller Welt. Mit Hilfe der Tondokumente kehrt AMAZONAS zu den Momenten zurück, als die Forscher sich schwitzend, zitternd und übermüdet auf der Jagd nach Musik durch die Fremde kämpften. Über die Jahre hinweg lagerte sich Staub in den Rillen der Wachswalzen ab. Durch sein Knistern und Rauschen hindurch erklingen Trommeln im Urwald, chinesische Gesänge und Schweizer Jodelchöre.

AMAZONAS fragt nach den Anstrengungen des Archivierens zwischen Wachswalzen und digitalen Datenmassen und lässt vor den Augen des Zuschauers eine Collage aus Kompositionen, Texten und Bildern entstehen.

 

In the cellars of the Ethnological Museum Berlin there are thousands of sound documents, which were collected on arduous journeys with the help of the phonograph in the 19th century. AMAZONAS embarks on an expedition into the wax-roll archive, following in the footsteps of researchers and collecting travel reports, technical data, crumpled melodies and rhythms from all over the world. With the help of the sound documents AMAZONAS returns to the moments when the researchers, sweating, trembling and tired, fought through foreign countries on the hunt for music. Over the years, dust settled in the grooves of the wax rollers. Through its crackling and rushing resound drums in the jungle, Chinese songs and Swiss yodelling choirs.

AMAZONAS asks about the efforts of archiving between wax rollers and digital data masses and creates a collage of compositions, texts and pictures.

 

Mit Kirsten Burger, Hauke Heumann und Dominik Kleinen

Regie: Franziska Seeberg

Mitarbeit Regie: Johannes Müller

Musik: Merzouga/Eva Pöpplein und Janko Hanushevsky

Bühne und Kostüme: Philine Rinnert

Lichtentwurf: Max Stelzel

 

Eine Produktion von OPER DYNAMO WEST und Produktion ehrliche arbeit – freies Kulturbüro.

In Kooperation mit dem Hebbel am Ufer Berlin.

Mit freundlicher Unterstützung des Berliner Phonogramm Archivs des Ethnologischen Museums Berlin.

Gefördert durch den Berliner Senat und den Fonds Darstellende Künste e.V.

 

 

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Das Material von „Amazonas“ unter der Regie von Franziska Seeberg kommt tief aus den Eingeweiden der Stadt: Im Ethnologischen Museum in Dahlem lagern tausende von Tondokumenten, die europäische Forscher in Afrika und Asien vor über 100 Jahren mit dem Phonographen und den Wachswalzen aufgenommen haben. In der Bearbeitung des Duos Merzouga wird daraus eine Zeitreise in die Geschichte des Speicherns von Musik. Drei Darsteller geben vor, eine Sendung in einem Tonstudio aufzunehmen, tatsächlich sind sie aber nichts anderes als selbst Speichermedien, die den in Erfahrungsberichten geronnenen Blick der Forscher vortragen und die alten Walzen abspielen. Es rauscht, knirscht und zischt, man hört ferne Gesänge und Trommeln. Obwohl der Abend keine Geschichte im eigentlichen Sinnen hat, erzählt er doch vom Ende des auratischen Charakters von Musik und den versuchen, ihren flüchtigen Charakter festzuhalten. 

(Tagesspiegel, 12.12.2009)

 

Es rauscht, es knarzt, es knackt. Verzerrte Stimmen singen in einer nicht verständlichen Sprache zerkratze Melodien und rätselhafte Klänge. Indianergesänge aus Mexiko, aufgenommen im 19. Jahrhundert, präsentiert auf einer Bühne, die aussieht wie ein Tonstudio. (…) In dieser Szenerie dreht sich alles um den Klang, genauer um Aufnahmen in Wachs. Diese Klänge nahm die Regisseurin Franziska Seeberg als Basis für ihr Stück AMAZONAS. Zusammen mit dem Komponistenduo Merzouzga erdachte sie eine Collage aus Schauspiel, Dokumentar- und Musiktheater. (…) Für ewig konservierte Erinnerungen auf der Bühne des HAU 3, mitten im schnell vergänglichen digitalen Zeitalter.

(RBB Kulturradio, 10.12.2009)