Ein Musiktheater

Ballhaus Ost, 2014

 

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OSTERN IN KUNOVICE begibt sich auf die Spuren einer Fotografie, die vor zwei Jahrzehnten im tschechischen Dorf Kunovice aufgenommen wurde: Wir sehen vier Kinder und einen Mann in einer Wohnstube. Eines der Kinder hält eine Geige in der Hand, ein anderes spielt Blockflöte. Niemand schaut in die Kamera. An der Wand hängen Gemälde, im Esszimmerschrank stapeln sich die Kristallgläser und im Vordergrund liegen Schokoladenostereier in einer Schale auf dem Tisch. Wer sind die fünf Menschen auf dem Bild? Wie ist es ihnen seit dem Osterfest ergangen? Und in wessen Wohnzimmer befinden wir uns?

OSTERN IN KUNOVICE verknüpft dokumentarisches Material mit den Mitteln des Musiktheaters und unternimmt eine Reise in ein Bild. Schicht für Schicht werden die Geheimnisse des 20 Jahre alten Fotos aufgedeckt. Dabei verbinden sich Tonaufnahmen aus Kunovice mit tschechischen Volksliedern und werden Teil einer Soundkomposition, die sich dem Foto auf musikalische Weise annähert. Vor uns sehen wir das Bild und hören die beinahe schon vergessenen Geschichten, die es uns erzählt.

 

EASTER IN KUNOVICE traces the trail of a photograph taken two decades ago in the Czech village Kunovice: we see four children and a man in a living room. One of the children holds a violin in his hand, another plays a recorder. Nobody looks into the camera. Paintings hang on the wall, the crystal glasses are stacked in the dining room cupboard and chocolate easter eggs lie in the foreground in a bowl on the table. Who are the five people in the picture? How have they been since this Easter? And in whose living room are we?

EASTER IN KUNOVICE combines documentary material with the means of music theater and undertakes a journey into a picture. Layer by layer, the secrets of the 20-year-old photo are revealed. Sound recordings from Kunovice are combined with Czech folk songs and become part of a sound composition that approaches the photo in a musical way. We look at the picture and hear the almost forgotten stories it tells us.

 

Mit Franziska Dick und Cathrin Romeis

Regie + Text:  Franziska Seeberg + Lisa Vera Schwabe

Komposition: Norbert Lang

Sounds aus Kunovice: Lukáš Tvrdoň

Ausstattung: Judith Philipp

Maske: Berenice Ammann

Technische Leitung: Ralf Arndt

Pressefoto: LUCIE

Fotodokumentation: Manuel Kinzer

Videodokumentation: Manuel Kinzer

Produktionsleitung: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro

 

Eine Produktion von Franziska Seeberg in Kooperation mit dem Ballhaus Ost. Gefördert durch Mittel des Regierenden Bürgermeisters von Berlin – Sentaskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, den Fonds Darstellende Künste, der Rudolf Augstein Stiftung und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Mit freundlicher Unterstützung des Goethe-Instituts.

 

 

 

Das sieht man als etwas sehr Gelungenes auf der Ballhausbühne. Das Stück weckt ein mährisches Interesse, von dem ich nichts wusste. Es geht von etwas Einfachem aus und gestattet in der Verwandlung seinem Gegenstand eine Reise auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

(livekritik, 15.5.2014)

 

Wie mit einer Lupe versuchen Franziska Seeberg und Lisa Vera Schwabe (Regie und Text) Vergangenes, das in der Erinnerung verschwindend klein geworden ist, wieder zu vergrößern. In jeder Vergrößerung liegt aber auch eine Verzerrung. Eine Verzerrung, die mitunter Imagination ist. Das Gedächtnis versucht stets, Kausalitäten zu erzeugen und mit erdichteter Logik, Vergangenes neu darzustellen. „Kunovice“ taucht die Erinnerung in nostalgisch-historischen Glanz gleich buntgefärbter Ostereier.(…) Klang fungiert in “Ostern in Kunovice. Ein Musiktheater” als Träger von Emotion und Erinnerung (Komposition: Norbert Lang; Sounds aus Kunovice: Lukáš Tvrdoň). Mal sind es abstrakte, kaum zuzuordnende Tonaufnahmen, Umweltgeräusche aus dem Ort der Kindheit, die den Prozess der Rekonstruktion einer verblassten Vergangenheit begleiten. Mal ist es ein Knabenchor vom Band, der die Akteurinnen entzückt schwelgen lässt. Und mal ist da ein abgehackter Beat – allegorisch für das Stop-and-go der Gedankenarbeit, bei der stoßartig und in Wortform die Erinnerung hervorsprudelt. (…) Das Wunderbare ist, die Inszenierung nutzt Elemente, die jeder aus eigener Erfahrung kennt. Ein Geruch in der Nase: Omas deftige Gulaschsuppe. Die peitschenden Weidenruten der Jungen und man zieht mit angstgepaarter Freude den Hintern ein.

(Unruhe im Oberrang, 19.5.2014)